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Schule ohne Gewalt - Zivilcourage im Schulalltag auch bei uns?!

Am Nachmittag, auf dem Nachhauseweg, wird in einem vollbesetzten Schulbus ein achtjähriger Grundschüler von zwei älteren Jugendlichen angepöbelt und beschimpft. Selbst als die beiden Jungen handgreiflich werden, zeigt sich niemand der umstehenden Fahrgäste dazu bereit, Verantwortung zu übernehmen, einzuschreiten und dem Grundschüler zu helfen. Wer hat diese Situation nicht schon einmal erlebt? Schuld am oben genannten Verhalten ist der so genannte “Bystander-Effekt”.

Doch was ist das eigentlich und ist Zivilcourage wirklich Glückssache? Wir, die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8a, haben uns gemeinsam mit unserer Deutschlehrerin, Frau Gerike, über dieses doch recht wichtige Thema unterhalten und gelernt, was in einer Notsituation zu tun ist. Der “Bystander-Effekt” ist, wie der Name schon sagt, ein Effekt, der dafür sorgt, dass Menschen desto weniger Verantwortungsbewusstsein verspüren, je mehr andere Personen gleichzeitig präsent sind.

Festgestellt wurde er zum ersten Mal in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts am tragischen Fall der New Yorkerin Catherine “Kitty” Genovese, die in ihrem Garten vor mindestens 38 schaulustigen Personen angegriffen und getötet wurde, ohne dass jemand eingriff. Die Sozialforscher Bibb Latané und John Darley forschten bereits im Jahre 1968 an diesem unvorteilhaften Phänomen. Bei einem ihrer Versuche wurde eine Gruppe Studenten über einen Lautsprecher Zeuge des Krampfanfalls eines Kommilitonen. Es zeigte sich, dass nur ein Teil der Studenten bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Stimme des Opfers nicht mehr zu hören war, versuchte Hilfe zu leisten. Die Zahl derer, die Verantwortung zeigten, nahm mit zunehmender Anzahl der anwesend geglaubten Zeugen ab.

Kann man also sagen, dass Zivilcourage eine Voraussetzung hat? Die bereits namentlich erwähnten Forscher antworteten auf diese Frage 1970 mit folgender Feststellung, die bis heute als Grundlage zur Antwort genutzt wird: Damit es zur Hilfeleistung kommen kann, müssen zuerst Fünf so genannte “Hürden” überwunden werden. Die erste dieser Hürden besteht in der Bemerkung des Ereignisses, welche durch Ablenkungen und Zeitnot verhindert werden kann. Bei der zweiten handelt es sich darum, ob der Betrachter die Situation als Notfall interpretiert. Hierbei lässt er sich durch die Beurteilung umstehender Personen beeinflussen. Dieser Vorgang wird auch als pluralistische Ignoranz bezeichnet. Um die dritte Hürde zu überwinden, muss der Beobachter sich für die betroffenen verantwortlich fühlen und darf es nicht zur Verantwortlichkeitsdiffusion, dem Abschieben der eigenen Verantwortung auf andere, kommen lassen. Die vierte Hürde besagt, dass der Außenstehende über das notwendige Wissen verfügen muss, was wiederum bedeutet, dass er den Ernst der Situation richtig einschätzt und weiß, was zu tun und zu unterlassen ist. Als fünftes entscheidet sich die außenstehende Person bewusst zu einer Handlung, um einschreiten zu können. Dabei spielt die Angst vor möglichen Folgen eines Eingreifens eine sehr große Rolle.

Doch warum zeigen so wenige Menschen in der heutigen Zeit Zivilcourage, wenn es doch augenscheinlich gar nicht so schwer ist? Nun das kann viele verschiedene Gründe haben. Vielleicht verfügt der Beobachter nicht über ein ausreichendes Wissen oder Einschätzungsvermögen über die ablaufende Situation und fürchtet sich, etwas falsch zu machen. Sicher spielt auch die Angst vor eventuellen Folgen eines Einschreitens keine unbedeutende Rolle, da sie ja in gewisser Weise eine Art Selbstschutz darstellt. Und natürlich sind auch die bereits erörterten Phänomene des “Bystander - Effekts”, der Verantwortlichkeitsdiffusion und der pluralistischen Ignoranz, also die Meinung von Umstehenden, nicht bedeutungslos.

 

Gibt es also keine Möglichkeit dem “Bystander-Effekt” entgegen zu wirken? Doch die gibt es. Laut de Meinung von Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind würden bereits drei simple aber wirksame Methoden dem Effekt entgegenwirken. Erstens sollte sich der Schulunterricht verstärkt mit diesem Thema auseinandersetzen. Auch könnten die modernen Medien aufklärender als bisher wirken. Wenn die Sorge vor einzelnem Eingreifen zu groß sein sollte, können Gemeinschaftsaktionen durch konkretes und zielgerichtetes Ansprechen bestimmter Personen, die man um Hilfe bittet, von Nutzen sein. Die Folgen eines couragierten Eingreifens können allgemein in zwei klassische Gesichtspunkte unterteilt werden. Zum einen gibt es die guten Folgen, die darin bestehen, dass den Betroffenen geholfen wird und sie so vor Verletzungen und Schlimmerem bewahrt werden können. Dem “Retter” winkt anschließend meist Lob und Anerkennung als Belohnung für sein überlegtes und mutiges Einschreiten von Außerhalb. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Durch ein unüberlegtes Einschreiten kann man sich als Außenstehender selbst schädigen, wie der Fall Tugce, der vor einigen Monaten ganz Deutschland bewegte, zeigt. Die junge Frau war zwischen eine Auseinandersetzung zweier Personen gegangen, wurde brutal zusammengeschlagen und bezahlte für ihre Zivilcourage mit dem Leben.

Schlussfolgernd können wir also feststellen, dass dem “Bystander-Effekt” mit diszipliniertem und wohl überlegtem Verhalten entgegenzuwirken ist. Auch wenn er und weitere Phänomene unseres heutigen sozialen Umfeldes dafür sorgen, uns auf die Meinung und das Verantwortungsbewusstsein anderer zu verlassen, sollten wir stets auch auf unser eigenes Bewusstsein hören. Bevor man unüberlegt handelt, muss gründlich nachgedacht und die Situation zum Schutze aller Beteiligten richtig eingeschätzt werden. Um auf unseren Busvorfall zurück zu kommen soll gesagt sein, dass man auf jeden Fall Zivilcourage zeigen und Hilfeleistung anbieten sollte. Unterlassene Hilfeleistung ist in Deutschland laut Strafgesetzbuch §323 c eine Straftat. Also haltet eure Augen offen und seht nicht einfach zu oder weg, wenn jemand in einer Misslage steckt, sondern sucht euch Hilfe bei anderen und zeigt Verantwortung!

Franziska Gunkel, 8a

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